Andreas Föhr: Herzschuss

  Kreuthner in Bedrängnis

Im Jubiläumsband zehn der kultigen Tegernsee-Reihe um das ungleiche Duo Wallner/Kreuthner lässt der Jurist und Autor Andreas Föhr ausnahmsweise nicht den unkontrollierbaren und unkonventionellen Polizeihauptmeister Leonhardt Kreuthner die Leiche finden, sondern den reflektierten, teamfähigen Kriminalhauptkommissar Clemens Wallner. Jedenfalls ist er zuerst am Fundort, denn beim Skifahren hat ihm ein Unbekannter die Koordinaten in die Hand gedrückt. Doch kurz nach ihm taucht auch Kreuthner in dem Hotelrohbau auf. Warum? Hat er wirklich nur zufällig Wallners Wagen gesehen oder steckt mehr dahinter?

© B. Busch

Ein Mordfall, viele mögliche Motive
Das Opfer, Philipp Gansel, getötet mit mehreren Schüssen, war Mitglied des Bayerischen Landtags mit auffallend steiler Politkarriere in den vergangenen zehn Jahren. Hat er sich mit den falschen Leuten eingelassen oder ist das Motiv eher im privaten Bereich zu suchen? Was hat ein zwei Monate zuvor in der Mangfallmühle, dem übel beleumdeten Lieblingsgasthaus Kreuthners, „wo sich Menschen zusammenfanden, denen die schattigen Niederungen gerade recht waren“ (S. 7), ausgehecktes Femegericht des Polizeihauptmeisters und seiner zwielichtigen Freunde gegen Philipp Gansel damit zu tun? War ihnen die nur halbwegs geglückte Abreibung nicht genug? Nicht lange, und Kreuthner wird zum Haupttatverdächtigen, denn Gansels Frau Philomena war vor langer Zeit seine Freundin, und dass sie in ihrer Ehe häuslicher Gewalt ausgesetzt war, wollte er nicht dulden. Wallner allerdings glaubt nicht so recht an die Schuld des langjährigen kollegialen Freundes und ermittelt in alle Richtungen, auch wenn die Arbeit durch die neue Leiterin der Polizeiinspektion Miesbach, Karla Tiedemann, einem weiteren Alphatier unter den Vorgesetzten, nicht einfacher wird. Der „Profilügner“ (S. 143) Kreuthner manövriert sich derweilen mit seiner ganz eigenen Logik immer tiefer in den Schlamassel. Seine Hoffnungen ruhen einzig auf Wallners Ermittlungsgeschick, denn selbst seine Mangfallmühlenkumpel lassen Solidarität vermissen:

Weißt – ich hab so viel Dusel g’habt bei dem ganzen Scheiß, den ich angestellt hab in meinem Leben. Irgendwer hat mich immer rausgehauen. Oft warst du des. Und vielleicht sperren die mich jetzt für was ein, was ich gar nicht war. So als Ausgleich mal andersrum. (S. 263)

Eine herausstechende Regionalkrimi-Serie
Wie immer in dieser Reihe steht trotz des durchaus vorhandenen, mit Augenmaß dosierten Lokalkolorits und Einblicken in das Privatleben Wallners die klug durchdachte Krimihandlung mit Rückblicken in die nähere und ferne Vergangenheit im Mittelpunkt. Es ist jedes Mal eine große Freude, die beiden bodenständigen Polizisten wieder zu treffen, den grundsoliden Kripobeamten Wallner mit der legendären Abneigung gegen Zugluft und das Urgestein Kreuthner, für den kein Gesetz zu gelten scheint, aber auch Wallners inzwischen 91-jährigen Großvater Manfred. Spritzige Dialoge, unerwartete Wendungen, Spannung bis fast zur letzten Seite, seriöse Ermittlungsarbeit und skurrile Slapstickeinlagen haben mich wieder sehr gut unterhalten, auch wenn der Humor in anderen Bänden der Reihe noch mehr nach meinem Geschmack ausfiel. Auf jeden Fall bin ich jedoch bei Band elf wieder dabei, schon um erfahren, ob der frische Wind in der Polizeiinspektion für den frisch geschiedenen Wallner auch privat weht…

Andreas Föhr: Herzschuss. Knaur 2022
www.droemer-knaur.de

 

Weitere Rezensionen zur Wallner-Kreuthner-Serie von Andreas Föhr auf diesem Blog:

Band 1
Band 2
Föhr
Band 3
Band 4

 

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